Erkenntnisse aus einem Workshop zum Forschungsdatenmanagement (FDM) beim Konsortialtreffen in Halle, September 2024
Laut unserer 2. Umfrage in der chemischen Gemeinschaft, sind 86 % der Teilnehmer*nnen der Meinung, dass zukünftige Student*innen und Arbeitsgruppen ihres Instituts davon profitieren würden, wenn der Umgang mit Forschungsdaten und Forschungsdatenmanagement Teil des offiziellen Lehrplans wären.
Warum gibt es dann so wenige Einrichtungen , die FDM unterrichten?
Dieser Frage wollten die Teilnehmer*innen eines Workshops auf unserem Konsortialtreffen nachgehen. Vier Professor*innen berichteten , wie sie wie sie derzeit mit FDM an ihren Einrichtungen umgehen.
Den Anfang machte Sonja Herres-Pawlis von der RWTH Aachen.
Als erstes berichtete sie über ein verpflichtendes Laborpraktikum für Bachelorstudenten im fünften Semester an der RWTH. In diesem Kurs müssen die Student*innen Ferrocen im Labor synthetisieren, und ab Winter 20/21, wird die komplette Bearbeitung (Planung, Dokumentation, Auswertung) im Chemotion ELN durchgeführt. Darüber hinaus gibt es eine Lerneinheit zu den Grundlagen von FDM , FAIR-Prinzipien, Datenmanagementplänen, Metadaten und InChI & SMILES. Die Student*innen müssen einen Abschlusstest bestehen, um den Laborkurs zu bestehen.
Die Integration von FDM und ELN in den Unterricht innerhalb einer Laborphase hat den großen Vorteil, dass keine Änderungen des Lehrplans erforderlich sind, was selten passiert und oft nicht leicht umzusetzen ist. Unsere Umfragen zeigen, dass die Studierenden den digitalen Wandel angenommen haben. Wie Abb. 1 zeigt, steigt der Anteil der Studierenden , die gerne mit ELNs arbeiten, und der Anteil derjenigen , die weiterhin mit mit handschriftlichen Unterlagen arbeiten wollen, geht deutlich zurück.
Die Integration von FDM und ELN in den Unterricht innerhalb einer Laborphase hat den großen Vorteil, dass keine Änderungen des Lehrplans erforderlich sind, was selten passiert und oft nicht leicht umzusetzen ist.
Es folgten Nicolas Tielker und Stefan Kast von der TU Dortmund. Sowohl für den Bachelor Chemie als auch für den Bachelor Chemische Biologie wurde ein Pflichtmodul „Statistische Methoden“ eingeführt. Dazu gehören auch Aspekte des „Forschungsdatenmanagements“, das ELN, Repositorien, Daten/Metadaten sowie ethische und rechtliche Aspekte von FDM umfasst, sobald die Verantwortung auf eine neu eingerichtete Professur für „KI in Chemie und Chemischer Biologie“ übertragen wird. Digitale Kompetenzen einschließlich FDM werden somit in Dortmund in den Lehrplan aufgenommen. Gleichzeitig fördert der Exzellenzcluster RESOLV auch die Integration von FDM in Forschung und Lehre.
Die parallele Nutzung verschiedener ELNs und LIMS ist eine Herausforderung. Dies liegt an den unterschiedlichen Zugängen der verschiedenen Arbeitsgruppen, führt aber zu Diskussionen im Alltag.
Kast wies auch darauf hin, dass Interoperabilität und eine zentrale, funktionale Infrastruktur zur breiten Akzeptanz und Nutzung von FDM -Techniken beitragen.
Georg Manolikakes von der RPTU Kaiserslautern-Landau beschrieb die Einführung des Chemotion ELN in einem Pflichtpraktikum im 5. Semester. Ähnlich wie an der RWTH Aachen mussten die Studierenden die Planung, Dokumentation und Analyse einer ausgewählten Synthese im ELN durchführen. Aufgrund des anfänglichen Erfolgs wird das ELN in der nächsten Runde für weitere Experimente genutzt werden.
An der RPTU wird ein zentrales ELN vom lokalen Rechenzentrum gehostet und die Student*innen können ihre ELN-Konten während ihrer weiteren Laborkurse nutzen, Bachelor- und Masterarbeiten und sogar für die Promotion nutzen. Bislang werden die Grundlagen des FDM in einem begleitenden Seminar vermittelt. Ab Herbst 2024 werden verschiedene digitale Kompetenzen, darunter auch alle Aspekte des FDM, in ein neues Pflichtmodul „Grundlegende Fähigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens“ im Bachelor-Studiengang Chemie aufgenommen werden.
Ricardo Mata von der Universität Göttingen war der nächste, der berichtete. Sie haben in den ersten Semestern Programmier- und konsolidierte Datenanalysepraktiken eingeführt, in den Fächern Mathematik, Physikpraktikum, Atomstruktur und Quantenchemie.
Hier werden Jupyter-Notebooks verwendet, die die Student*innen zum Selbststudium nutzen können und zwar während ihres gesamten Studienlebens. Die Einführung wird durch einen Jupyter-Cloud-Service erleichtert, der für alle Studierenden zugänglich ist. Den Studierenden werden standardisierte Installationen zur Verfügung gestellt , die über jedes Endgerät zugänglich sind. Auch das RTG2455 und SFB1633 haben sich zum Einsatz von ELNs verpflichtet, wobei der Schwerpunkt auf eLabFTW liegt.
Von der Universität Ulm berichtete Benedikt Wiedemann, dass sie FDM auch in die Ingenieur- und Naturwissenschaften integrieren. Dazu haben sie sich Ziele gesetzt: Ermittlung und Vergleich der Anwendbarkeit verschiedener ELNs für unterschiedliche Anforderungen, Bereitstellung von Vorschlägen für andere Lehrveranstaltungen, Erstellung von Fallstudien für die Entwicklung von Chemotion/LabIMotion und eLabFTW für Lehrzwecke und Unterweisung von Studierenden, Lehrkräften und Aufsichtspersonen, um die Nutzung von RDM-Tools in den Instituten zu verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, wurden RDM und verschiedene ELNs in sechs praktischen Kursen implementiert. Eine Übung zum Metadatenschema beim Kochen von Nudeln ist besonders erfolgreich – dieser Kurs nutzt Humor, um ein großes Bewusstsein für das Thema zu schaffen.
Als Ergebnis haben wir einige gute Gründe gesammelt, FDM in den Unterricht zu integrieren:
- Da FDM immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist es eine unverzichtbare Fähigkeit für Student*innen in der Zukunft.
- ELNs sparen Zeit, sobald man weiß, wie man sie benutzt. Frühes Lernen hilft bei Abschlussarbeiten.
- Frühzeitige Vermittlung praktischer Fertigkeiten , um die Einführungszeit während der Bachelor-/Master-/Promotionsarbeit zu verkürzen.
- Student*innen Den Fähigkeiten der neuen Schüler gerecht werden (praktische Computerkurse sind in BW ab der 7. Klasse Pflicht )
Sie möchten FDM in den Unterrichtintegrieren? Hier finden Sie eine Checkliste.
- Um die digitalen Fähigkeiten der Student*innen zu fördern, ist ein breiterer Ansatz erforderlich. Beginnen Sie mit einer strategischen Abteilungsplanung.
- Suchen Sie sich Mitstreiter, je mehr Dozent*innen/Lehrbeauftragte die Entscheidung unterstützen, desto größer ist die Akzeptanz.
- Sind Sie dabei, Ihr Curriculum zu überarbeiten? Dann ist dies eine gute Gelegenheit.
- Die Integration von FDM in praktische Kurse ist einfach zu implementieren und bietet schnelle Anwendungen.
- Je praktischer FDM gelehrt wird, desto höher ist die Akzeptanz.
Sie möchten ELN in den Unterrichtintegrieren? Hier ist eine Checkliste
- Zentrale Installationen sind einfacher zu verwalten als lokale Installationen.
- Setzen Sie sich frühzeitig mit Ihrem örtlichen Rechenzentrum in Verbindung.
- Klären Sie frühzeitig vorhandene Anmeldeverfahren, für optimale und dauerhaft nutzbare Rollen und Rechte.
- Nicht jedes ELN ist für alle Anwendungen geeignet. Je weniger ELNs, desto einfacher, aber prüfen Sie vorher , welche Einrichtungen welches ELN benötigen.
- Planen Sie ein Schulungskonzept. Je mehr Lehrkräfte und Kursleiter mit ELN vertraut sind, desto größer ist die Akzeptanz bei den Studierenden.